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HINTERGRUNDBEITRAG

Das Hinweisgeberschutzgesetz.

2. Juli 2023
3 Minuten
Vorsorgen und absichern
Unternehmerin oder Unternehmer

Die Zeit drängt: Unternehmen müssen durch den zeitlichen Verzug des deutschen Gesetzgebers bei der Umsetzung eines nationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Whistleblowern umso schneller ein geeignetes Meldesystem implementieren. Eine Einordnung des Sachverhalts, worauf es ankommt und welche Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

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Interessant für Sie, wenn...

  • Sie als Verantwortlicher eines privaten oder öffentlich-rechtlichen Unternehmens mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen und entsprechend interne Meldekanäle für Hinweisgeber einrichten müssen.

  • Sie im Zuge der Unternehmensnachfolge einen Betrieb führen bzw. führen werden, der in den Einflussbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes fällt.

  • Sie sich für das Thema Whistleblowing im unternehmerischen oder staatlichen Umfeld interessieren.

Ans Tageslicht bringen.

In Frankreich, England und den USA gibt es sie bereits: Nationale Gesetze, die Whistleblowern, im Deutschen oft Hinweisgeber genannt, Schutz gewähren und damit eine Kultur in Unternehmen und Organisationen fördern, die dazu animieren Missstände aufzudecken. Hinweisgeber wollen meist frühzeitig etwa über unethische Geschäftspraktiken oder missbräuchliche Verhaltensweisen berichten - und zwar bevor mögliche negative Konsequenzen daraus entstehen. Damit gehen diese Personen oftmals große persönliche Risiken ein. Whistleblower verfolgen vor allem das Ziel, Aufmerksamkeit auf Fehlverhalten oder illegale Machenschaften zu lenken, die von Interesse für die Öffentlichkeit sind. Die Szenarien für Whistleblowing können ganz unterschiedlich sein - von Korruption, Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz über Gesetzesverstöße, Straftaten und Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Missmanagement, Insiderhandel und Datenmissbrauch.

Das wohl prominenteste Beispiel für einen Hinweisgeber auf der Ebene internationaler Beziehungen ist Edward Snowden. Der US-Amerikaner enthüllte 2013 die weltweiten Spionageaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA. Hintergrund war die großangelegte Überwachung der globalen Telekommunikation und des ‚World Wide Web‘ seit 2007 durch die Vereinigten Staaten und Großbritannien - allerdings ohne konkrete Verdachtsfälle. Beide Länder rechtfertigten ihr Vorgehen damit, terroristische Anschläge vorzubeugen. Die Amerikaner werfen Edward Snowden die Gefährdung der nationalen Sicherheit vor; seine Rückkehr in die USA ist undenkbar, er lebt bis heute im Exil. Auch hierzulande haben Whistleblower für Aufsehen gesorgt, wie zum Beispiel im Fall einer Apotheke in Bottrop, der sich 2016 als einer der größten Medizinskandale in der bundesdeutschen Geschichte herausstellte. Der damalige kaufmännische Leiter wurde fristlos entlassen, nachdem er aufgedeckt hatte, dass der Apothekeninhaber jahrelang Kochsalzlösungen als angeblich individuell zusammengestellte Krebsmedikamente für schwerkranke Patienten missbrauchte und diese gegenüber den Krankenkassen entsprechend abrechnete.

EU-Initiative stützt Whistleblower.

Beschäftigte nehmen Missstände in Unternehmen und Behörden oftmals als erste wahr und können durch ihre Hinweise dafür sorgen, dass Rechtsverstöße aufgedeckt, untersucht, verfolgt und unterbunden werden. Noch immer gibt es in Deutschland keinen ausreichenden Schutz für Hinweisgeber vor Kündigung oder anderen persönlichen Nachteilen. Der Aspekt der Treue gegenüber dem Arbeitgeber wiegt schwer, weshalb es Whistleblowern hierzulande besonders schwer haben. Bislang gibt es nur wenige Regelungen, die Hinweisgebende konkret vor möglichen Repressalien, wie einer fristlosen Kündigung, schützen. So sieht die deutsche Gesetzgebung bislang nur für wenige Branchen eine gesetzliche Verpflichtung zum Aufbau eines Compliance-Systems vor, wie zum Beispiel Banken und Finanzinstitute. Mit der Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie und einem entsprechenden nationalen Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern soll sich dies ab diesem Jahr ändern.

Damit werden alle Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten sowie der öffentliche Sektor und Gemeinden ab 10.000 Einwohnern in der EU dazu verpflichtet, ein internes Hinweisgebersystem einzuführen. Die EU-Staaten hatten zwei Jahre Zeit, die Anforderungen in nationale Gesetze zu überführen. Die Frist endete im Dezember 2021, die Deutschland zunächst verstreichen ließ. Dadurch liegt nun der Druck auf Seiten des deutschen Gesetzgebers, die EU-Vorgaben möglichst schnell umzusetzen. Deutsche Unternehmen sollten sich darauf einstellen, dass sie noch in 2022 zur Einrichtung von Meldestellen und internen Meldekanälen angehalten werden. In Anbetracht der wegen Verzugs von der EU-Kommission gegen Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren sind großzügige Übergangsfristen nicht zu erwarten. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern gilt nach derzeitigen Kenntnisstand allerdings eine Übergangsfrist: Sie haben bis spätestens 17. Dezember 2023 eine Meldestelle einzurichten.

Hinweisgeber haftungsfrei stellen.

Nach dem Willen der EU soll es nicht möglich sein, sich als Arbeitgeber auf Loyalitätsklauseln in Verträgen oder Vertraulichkeits- bzw. Geheimhaltungsvereinbarungen stützen zu dürfen, um Hinweisgebern den Schutz zu versagen oder sie für die Meldung von Informationen über Verstöße bzw. eine diesbezügliche Offenlegung zu sanktionieren. Dies schafft den Rechtsrahmen, damit Hinweisgeber weder zivil-, straf- oder verwaltungsrechtlich noch in Bezug auf ihre Beschäftigung haftbar gemacht werden können.

Über einen Hinweisgeberkanal kann die systematische und vertrauliche Übermittlung von Informationen seitens Mitarbeiter und Lieferanten, ein geschützter Dialog zwischen anonymen Hinweisgebern und dem Compliance-Beauftragten sowie die Bearbeitung und Dokumentation der Meldungen sichergestellt werden. Hinweisgebersysteme gelten als effektivste Instrumente für die Prävention und Aufklärung von Korruption, Missständen und Compliance-Verstößen. Rund 40 Prozent der weltweiten Betrugsfälle in Unternehmen und Organisationen werden nach Informationen des ACFE Report to the Nations von Hinweisgebern enthüllt.

Deutscher Gesetzesentwurf mit Abweichungen.

Mitte April hat das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf für ein deutsches Hinweisgeberschutzgesetz („HinSchG-E“) veröffentlicht. Damit soll der bislang lückenhafte und unzureichende Schutz von hinweisgebenden Personen ausgebaut und die EU-Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Während Letztere nur Verstöße in bestimmten europäischen Rechts- und Politikbereichen umfasst, greift der sachliche Anwendungsbereich des ‚HinSchG-E‘ auch bei straf- und bußgeldbewehrten Verstößen. Diesen erweiterten Anwendungsbereich müssen interne Meldestellen zukünftig entsprechend mit abbilden.

Zudem plant die Bundesregierung - anders als der europäische Gesetzgeber -, die Nichteinrichtung interner Hinweisgeberstellen mit einem Bußgeld zu belegen. Hiernach kann das Versäumnis der Einrichtung interner Meldekanäle, die den Anforderungen des ‚HinSchG-E‘ entsprechen, mit bis zu 20.000 Euro geahndet werden.

Die neuen Vorgaben für ein eigenes, internes Hinweisgebersystem sind vor allem für diejenigen mittelständischen Unternehmen herausfordernd, die über keine eigene Rechts- oder Compliance-Abteilung verfügen. Die Richtlinie trägt dieser Tatsache Rechnung, indem ein Unternehmen auch einen unabhängigen Compliance-Beauftragten bestimmen kann. Betroffene Betriebe sollten sich bereits jetzt mit den neuen Regelungen auseinandersetzen und mit der Implementierung interner Meldekanäle beginnen oder bereits bestehende Meldekanäle überprüfen und diese gegebenenfalls an die neuen Bestimmungen anpassen.

Bestens beraten.

Unterstützung erhalten Sie auch von Ihrer Sparkasse. Wenden Sie sich bezüglich Fragen zum Hinweisgeberschutzgesetz an Ihre Private Banking-Beraterin oder Ihren Private Banking-Berater.

Checkliste für die Einführung von Hinweisgebersystemen.

Besonders viele mittelständische Unternehmen stehen vor der Aufgabe, Hinweisgebersysteme und diesbezügliche Abläufe rasch einzuführen. Die Anforderungen und einige Möglichkeiten der Umsetzung sollen im Folgenden skizziert werden.

  • Ist der eigene Betrieb betroffen?

    Jedes Unternehmen unabhängig von der Branche, das dauerhaft mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigt, wird von der Richtlinie erfasst. Mitarbeiter in diesem Sinne sind auch Minijobber, Teilzeitkräfte, Auszubildende und arbeitnehmerähnliche Personen. Die Verantwortlichen sollten immer auch ein mögliches künftiges Wachstum des Unternehmens im Blick haben, da allein das Überschreiten der Mitarbeiterzahl die Verpflichtungen auslöst.

  • Kann ein Hinweisgebersystem unternehmensintern umgesetzt werden?

    Geprüft werden sollte, ob auch ein bereits eingerichteter anonymer Meldekanal genutzt werden kann. Zudem muss im Unternehmen eine geeignete Person vorhanden sein, die als neutral handelnd bestimmt werden kann. Außerdem müssen die nötigen Ressourcen für die Bearbeitung der Folgemaßnahmen bereit gestellt werden.

  • Kommt möglicherweise ein Outsourcing in Frage?

    Diese Lösung kann dann in Betracht gezogen werden, wenn die nötigen Ressourcen und Fachkräfte im Unternehmen fehlen. Zudem kann ein extern Beauftragter die Hemmschwelle für potenzielle Hinweisgeber senken.

Ob intern oder extern umgesetzt müssen die Meldekanäle insbesondere folgende Anforderungen erfüllen:

  • Die Meldung eines Vorfalls muss schriftlich oder mündlich möglich sein. Auf Wunsch des Hinweisgebers soll ein persönlicher Austausch stattfinden können.

  • Die potentiellen Hinweisgeber müssen klare und leicht zugängliche Informationen über die Meldemöglichkeiten und die weiteren Abläufe erhalten. Dies kann z. B. auf der Unternehmenswebseite erfolgen.

  • Die Bearbeitung der Hinweise in den dafür eingerichteten Meldekanälen muss die Vertraulichkeit des Hinweisgebers wahren und darf keinen Zugriff unbefugter Dritter auf die Meldungen zulassen.

  • Alle rechtlichen Bedingungen des Datenschutzes bzw. der DSGVO sind unbedingt einzuhalten. Dies gilt für die personenbezogenen Daten aller Beteiligten, also den Hinweisgeber, die vom Hinweis betroffenen Personen und auch etwaige Beobachter.

  • Sofern ein Betriebsrat vorhanden ist, hat eine Abstimmung über die Einrichtung des Hinweisgebersystems zu erfolgen.

Für die Einrichtung von Meldekanälen bieten sich verschiedene Optionen an:

Quellen: LegalTegrity, Haufe Mediengruppe


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